Chancen für Schuldner

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Chancen für Schuldner

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Für manchen mag es erstaunlich erscheinen, dass vielleicht die meisten Einflussmöglichkeiten das Zwangsversteigerungsverfahren dem Versteigerungsschuldner bieten dürfte.

Zwar soll das Versteigerungsverfahren als ein Verfahren der Zwangsvollstreckung vor allem den Gläubiger befriedigen, aber hierbei auch berücksichtigen, daß die berechtigten Interessen und vor allem die grundgesetzlich geschützten Rechte (z.B.: auf Wohnung, Eigentum, eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, rechtliches Gehör etc.) des Vollstreckungsschuldners berücksichtigt werden.

Allein durch die geschickte Wahrnehmung aller sich dem Schuldner bietenden taktischen Möglichkeiten ist es oft möglich, die Versteigerung und damit den Verlust von Wohnung und Eigentum zu verzögern oder auch ganz zu verhindern.

Für den Schuldner am interessantesten aber sind die Fälle, in denen eine Versteigerung sich als eine für ihn günstige Entwicklung darstellt, weil er selbst, ein Dritter, mehrere Dritte oder er selbst mit einem oder mehreren Dritten als Bietergemeinschaft das Objekt erwerben kann.

Ein solcher Erwerb bietet oft die Gelegenheit, eine überhöhte Finanzierung loszuwerden und ein sauberes Grundbuch zu erhalten. Bei einem vorgesehenen Rückerwerb von dem oder den Dritten, die treuhänderisch erworben haben, durch sich selbst oder wiederum durch einen Dritten wie den Ehegatten oder eine Gesellschaft kann der Schuldner die von dem Erwerber beschaffte günstige Bankfinanzierung übernehmen.

Und bei einer Teilungsversteigerung einer im Miteigentum von Ehegatten oder Gesellschaftern stehenden Immobilie kann ein Miteigentümer die anderen loswerden und die Immobilie zum Alleineigentum erwerben.

Wenn aber der Schuldner die Versteigerung und damit den Verlust des Eigentums nicht verhindern kann, kann er unter Umständen immer noch einen Erfolg realisieren, nämlich durch Verhinderung überhöhter Gläubigerforderungen mit der Folge weitergehender Entschuldung bei nachrangigen Gläubigern oder einer Auszahlung eines Über- oder Mehrerlöses an ihn selbst.

So errechnete eine Münchner Grundbesitz-Verwaltungsgesellschaft, dass eine betreibende Gläubigerin im Verteilungsverfahren ihres versteigerten und für ein Bargebot von 15 Mio. DM zugeschlagenen Bürohauses DM 1.465.153,50 mehr von dem Versteigerungserlös verlangt hat und zugeteilt bekäme, als ihr zustand.

Beispiel 1

Eine auf Zahlung dieses der Bank nicht zustehenden Betrages gerichtete Bereicherungsklage (Landgericht München I, Az.: 23 O 21063/96) scheiterte nur daran, daß die Schuldnerin keine Prozesskostenhilfe erhielt (§ 116 Nr. 2 ZPO), eine Klage aber erst nach Einzahlung einer Gerichtskostenvorauszahlung von DM 22.215,00 zugestellt worden wäre (§ 65 Absatz 1 Satz 1 GKG).

Die Gesellschaft verfügte aber nicht über so viele flüssige Mittel. Heutzutage wäre dieses Problem im Falle eines Übererlöses lösbar: Inzwischen gibt es schon mehrere Kapitalgesellschaften, die die Kosten eines solchen Prozesses auf der Grundlage eines Gesellschaftsvertrages mit dem klagenden Versteigerungsschuldner vorschießen würden, wenn sie die Hälfte des „eingespielten“ Betrages erhalten („Prozessfinanzierer“).

Beispiel 2

Ein Landwirt hatte nach der Versteigerung seines Hofes dieses Problem nicht, denn aus dem an ihn ausgezahlten Übererlös konnte er die Gerichtskostenvorauszahlung leisten: Er klagte wegen einer Zuvielforderung der ihn einst finanzierenden Bank in Höhe von DM 400.930,03.

Um einer der Widerspruchsklage weitgehend stattgebenden Entscheidung zuvorzukommen, schloss die Bank mit ihm einen außergerichtlichen Vergleich über DM 330.000,00. Die Bank war hierzu allerdings erst bereit, als der Verfahrensausgang im Sinne des Versteigerungsschuldners nach einer für den Kläger günstigen Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts München (OLG München, Az.: 15 W 1506) absehbar war. Dieser Betrag wurde an den Schuldner/Kläger und seine Ehefrau zusätzlich ausgezahlt.

 
Gerade die zuletzt genannten Bereiche werfen viele Rechtsfragen auf, die in der Literatur kaum behandelt werden und in vielen Fällen erst ungenügend durch obergerichtliche Entscheidungen beantwortet sind. Obergerichtliche Klärung steht in einigen Fällen noch aus, was auch daran liegt, dass Beschwerden in Versteigerungsverfahren grundsätzlich nur bis zu dem Landgericht als Beschwerdegericht (Rechtsmittelinstanz) gelangen.
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