Widerspruch des Schuldners gegen nicht valutierten Teil einer Grundschuld:(erschienen in der Fachzeitschrift "Der Deutsche Rechtspfleger", Ausgabe 10 (Oktober)/2000, S.437 bis 439) (alte Rechtschreibung belassen)
1. Widerspruch des Schuldners gegen nicht valutierten Teil einer Grundschuld
2. Aussetzung der Verteilung und Hinterlegung des angegriffenen Liquidates
3. Antrag des Schuldner(vertreter)s und Entscheidung des Rechtspflegers
1. Widerspruch des Schuldners gegen nicht valutierten Teil einer Grundschuld
(erschienen in der Fachzeitschrift "Der Deutsche Rechtspfleger", Ausgabe 10 (Oktober)/2000, S.437 bis 439)
In der Praxis ist dies das Thema bei der Vertretung eines Versteigerungsschuldners im Verteilungsverfahren.
Es ist zweifelhaft, ob die Ansprüche aus einer Grundschuld (auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Pfandgrundstück wegen der Hauptsache, dinglicher Zinsen und/oder einmaliger Nebenleistungen) aufgrund der dinglichen Vollstreckungsunterwerfung in der Grundschuldbestellungsurkunde nach ß 794 Abs.1 Nr.5 ZPO (oder aufgrund eines entsprechenden Duldungsurteils) vollstreckbare Ansprüche im Sinne des § 115 Abs. 3 ZVG sind. Die Gerichte behandeln diese Ansprüche regelmäßig als einen vollstreckbaren Anspruch in diesem Sinne . Darauf muß sich der Schuldnervertreter einstellen.
Für die Praxis bedeutsamer ist daher die Frage, was aus der Anwendbarkeit der Verweisvorschrift des § 115 Abs.3 ZVG folgt.
... gegen vollstreckbaren Anspruch als Einstellungsantrag zu erledigen
Der Gesetzeswortlaut ist angenehm klar und eigentlich eindeutig:
"Der Widerspruch des Schuldners gegen einen vollstreckbaren Anspruch wird nach den §§ 767, 769, 770 der Zivilprozeßordnung erledigt."
Rechtsfolge ist die Behandlung nach den Vorschriften über
- die Vollstreckungsgegenklage/Vollstreckungsabwehrklage z.B. vor dem Landgericht (Prozeßgericht) am Wohnort oder Sitz des Gläubigers des angegriffenen Liquidates des vorläufigen Teilungsplanes (§ 767 ZPO),
- einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 769 ZPO) durch das angerufene Landgericht (Prozeßgericht, Abs.1) oder durch das Vollstreckungsgericht (Amtsgericht, Abs.2) und
- einstweilige Anordnungen im Urteil des Prozeßgerichtes (§ 770 ZPO).
Tatbestandsvoraussetzung ist
1. ein Widerspruch
2. des Schuldners
3. gegen einen vollstreckbaren Anspruch.
Das heißt:
Reicht der Versteigerungsschuldner im Verteilungstermin einen Widerspruch ein, greift in diesem ein bestimmtes Gläubigerrecht (Liquidat) des vorläufigen Teilungsplanes an und beansprucht die Zuteilung an einen anderen, dann muß sich der Rechtspfleger fragen, ob sich dieser Widerspruch gegen einen vollstreckbaren Anspruch richtet.
Ist dies seiner Meinung nach der Fall, hat er nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 115 Abs.3 ZVG den Widerspruch dadurch zu erledigen, daß er ihn als einen Antrag auf Einstellung der Zwangsversteigerung bis zum Erlaß eines Urteils über eine gegen die angegriffene Zuteilung erhobene Vollstreckungsabwehrklage (§ 115 Abs.3 ZVG i.V.m. den §§ 794, 769 Abs.2, 767 ZPO) behandelt.
Diese Art der Erledigung des Widerspruches ergibt sich aus der unmittelbaren Anwendung der gesetzlichen Rechtsfolgenverweisung. Hier ist es wohl irrelevant, ob man in der Verweisung eine Folgen- oder Grundverweisung sehen möchte. Allerdings darf die Annahme einer Rechtsgrundverweisung nicht dazu führen, daß für die Anwendung der Vorschrift des § 115 Abs.3 ZVG kein Spielraum mehr verbleibt. Diese Gefahr besteht insofern nicht, als eine vorher eingelegte Klageschrift im Falle des hier anzuwendenden § 769 Abs.2 ZPO nicht erforderlich ist (das wäre auch unmöglich, da der vorläufige Teilungsplan in der Regel erst im Verteilungstermin bekannt gegeben wird) und im Versteigerungsgericht durchaus das funktionell zuständige Vollstreckungsgericht im Sinne der §§ 769 Abs.2 i.V.m. 764 Abs.2 ZVG gesehen werden kann. Die Zulässigkeitsvoraussetzung der Glaubhaftmachung wird in der Regel nur in einer eidesstattlichen Versicherung des Schuldners hinsichtlich des Valutastandes und nur ausnahmsweise in der Vorlage genauer Belege bestehen können.
Da die gesetzliche Voraussetzung nicht ein Einstellungsantrag des Schuldners gegen einen vollstreckbaren Anspruch, sondern ein Widerspruch gegen einen vollstreckbaren Anspruch ist, braucht der Schuldner nicht ausdrücklich einen Einstellungsantrag zu stellen. Es muß genügen – wie das Gesetz es vorsieht – einen "Widerspruch" einzureichen. Dem Schuldner wollte der Gesetzgeber offenbar die Rechtsprüfung, ob er sich gegen die Zuteilung aus einem vollstreckbaren Anspruch wende und deshalb einen Einstellungsantrag nach § 769 ZPO stellen müsse, ersparen. Der Rechtspfleger braucht daher auch nicht einen als Widerspruch bezeichneten Schriftsatz umzudeuten, wenn er feststellt, daß dieser Rechtsbehelf sich gegen einen vollstreckbaren Anspruch richtet. Er braucht nicht einmal den Schuldner darauf hinzuweisen, daß er einen Einstellungsantrag anstelle eines Widerspruches einlegen solle, denn das Gesetz läßt den als Widerspruch bezeichneten Rechtsbehelf ausdrücklich genügen, damit das Versteigerungsgericht die Zwangsversteigerung hinsichtlich des angegriffenen Liquidates einstweilen einstelle. Innerhalb des Verteilungsverfahrens ist jeder angemeldete Anspruch selbständig zu behandeln. Von dem Widerspruch oder dem Einstellungsantrag ist das Verfahren nur bezüglich des angegriffenen Liquidates betroffen. Die nicht angegriffenen Liquidate werden wie vorgesehen verteilt.
Kommt der Rechtspfleger zu dem Ergebnis, daß sich der Widerspruch nicht gegen einen vollstreckbaren Anspruch richte, finden die §§ 876 bis 882 ZPO Anwendung (§ 115 Abs.1, 116 ZVG. Dies ist der z.B. in der Entscheidung des OLG München vom 13.06.1997 (Az.: 15 W 1506/97) entschiedene Normalfall.
2. Aussetzung der Verteilung und Hinterlegung des angegriffenen Liquidates
Der Sinn der Vorschrift des § 115 Absatz 1 und Absatz 3 ZVG ist demnach folgender:
Der Gesetzgeber wollte den Schuldner davor schützen, daß ein Liquidat zu Unrecht zugeteilt wird, also daß ein in Wirklichkeit nicht bestehender Gläubigeranspruch "befriedigt" wird. Deshalb soll das Prozeßgericht (bei einem Streitwert von über DM 10.000,00 das örtlich zuständige Landgericht) prüfen, ob der Gläubigeranspruch besteht. Wenn ein dinglicher Anspruch aus einem Grundpfandrecht vollstreckbar ist, dann deshalb, weil diese Prüfung schon einmal ein Gericht in einem Erkenntnisverfahren angestellt oder weil der Schuldner sich freiwillig der Zwangsvollstreckung in einer notariellen Urkunde unterworfen hat. Ein vollstreckbarer Anspruch soll daher grundsätzlich nur insoweit überprüft werden, ob nach seiner Titulierung Einwendungen entstanden sind, also Tatsachen aufgetreten sind, aufgrund derer der Anspruch ganz oder teilweise untergegangen oder in seiner Durchsetzbarkeit gehemmt ist. Die für diese eingeschränkte Prüfung vorgesehene Klageart ist die Vollstreckungsgegenklage (Vollstreckungsabwehrklage, § 767 ZPO). Ein nicht vollstreckbarer Anspruch aber soll uneingeschränkt überprüft werden. Die hierzu geeignete und vorgesehene Klageart ist die Widerspruchsklage (§§ 878 ff. ZPO).
Der Schuldner erfährt den Inhalt eines vorläufigen Teilungsplanes in der Regel erst im Verteilungstermin. Vorher kann er also weder eine Vollstreckungsgegen- noch eine Widerspruchsklage erheben. Noch im Verteilungstermin können Gläubiger ihre Anmeldungen ändern. Vor dem Ende der Verhandlung im Verteilungstermin weiß der Schuldner also nicht den Inhalt des beabsichtigten Teilungsplanes und kann bis dahin keine Vollstreckungsgegenklage erheben. Wenn der Verteilungstermin beendet wird, ist der endgültige Teilungsplan beschlossen und wird anschließend ausgeführt. Auch ein dem Gläubiger nicht zustehender Betrag wird dann an ihn ausgezahlt: Eine Vollstreckungsgegenklage oder Widerspruchsklage ist von der Auszahlung an unzulässig. Der Schuldner müßte dann stattdessen eine Bereicherungsklage erheben.
Hier gilt für den nicht vollstreckbaren und ganz genauso für den vollstreckbaren Anspruch, was das Oberlandesgericht München in seinem Beschluß vom 13.06.1997 (Az.: 15 W 1506/97) ausgeführt hat: "Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum der Schuldner, der zum Kreis der Beteiligten nach § 9 ZVG gehört und damit das Widerspruchsrecht und die Möglichkeit der Widerspruchsklage hat, nicht gleich durch gerichtliche Entscheidung sicherstellen kann, daß der Erlös unmittelbar aus der Teilungsmasse nur an wirklich Berechtigte gezahlt wird, sondern stattdessen erst nach dem Umweg über einen nichtberechtigten Gläubiger zurückfließen soll."
Zu demselben Ergebnis kommt man durch einen Blick auf die Folgen einer sachlich ungerechtfertigten Auszahlung: Der Gläubiger kann in Konkurs fallen oder auch Entreicherung (§ 818 Abs.3 BGB) nachweisen. Dann fällt der Schuldner aus, und sogar eine erfolgreiche Klage hindert nicht den wirtschaftlichen Mißerfolg. Oder der Gläubiger behauptet in einer undurchsichtigen Abrechnung über das Darlehensverhältnis viele angebliche Gegenansprüche wie überhöhte Zinsen, Gebühren, Vorfälligkeitsentschädigungen usw., so daß auch eine der Bereicherungsklage stattgebende Entscheidung für den Schuldner vielleicht zu spät kommt, weil er vorher aufgrund der ausgefallenen Zahlung in Konkurs gefallen ist.
Dies wollte der Gesetzgeber dem Schuldner wie allgemein jedem Widerspruchsführer ersparen. Er hat vorgesehen, daß die von dem Widerspruch erfaßte Gläubigerforderung nicht ausbezahlt, sondern hinterlegt wird, bis über die Vollstreckungsgegenklage oder die Widerspruchsklage des Widerspruchsführers entschieden oder eine hierfür eingeräumte Frist ungenutzt verstrichen ist. Aufgrund der unterschiedlichen Klageart (Schuldnerwiderspruch gegen vollstreckbaren Anspruch: Vollstreckungsabwehrklage; ansonsten: Widerspruchsklage) ergibt sich die Hinterlegung aus unterschiedlichen Verweisungsnormen:
a) Ein Widerspruch des Schuldners gegen einen vollstreckbaren Anspruch wird durch Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der von dem Widerspruch erfaßten Gläubigerforderung bis zum Erlaß eines Urteils über die Vollstreckungsgegenklage nach den Vorschriften des § 115 Abs.3 ZVG i.V.m. den §§ 794, 769 Abs.2, 767 ZPO erledigt.
b) Bei einem Widerspruch des Schuldners gegen einen nicht vollstreckbaren Anspruch oder einem Widerspruch eines anderen Beteiligten kommt § 115 Abs.1, 116 ZVG i.V.m. den §§ 876 Satz 4, 877 Abs.2, 878 Abs.1 ZPO (keine Ausführung der von dem Widerspruch erfaßten Gläubigerforderung bis zum Erlaß eines Urteils über die Widerspruchsklage) zur Anwendung.
Die Vorschriften des § 115 Abs.1 und Abs.3 ZVG unterscheiden sich also nur hinsichtlich der rechtlichen Konstruktion, nicht hinsichtlich des Umfanges des Schutzes für den widersprechenden Schuldner vor einer unberechtigten Zuteilung und Auszahlung:
Dies ist der wohl einzige Regelungszweck des § 115 Abs.3 ZVG.
3. Antrag des Schuldner(vertreter)s und Entscheidung des Rechtspflegers:
Um einen Einstellungsantrag nach § 769 ZPO zu stellen, könnte der Schuldner einen auch ausdrücklich so bezeichneten Antrag einreichen; das Gericht hätte dem stattzugeben. Dabei wäre unmittelbar die Vorschrift des § 769 Abs.2 ZPO anzuwenden. Ein Umweg über eine Verweisungsnorm – wie es die Vorschrift des § 115 Abs.3 ZVG ist – wäre hierzu überflüssig. Das kann also der Sinn dieser Vorschrift nicht sein. Vielmehr bestimmt die Vorschrift ("Widerspruch des Schuldners gegen einen vollstreckbaren Anspruch wird nach den §§ 767, 769, 770 der Zivilprozeßordnung erledigt"), daß Voraussetzung der Verweisung zu insbesondere der Einstellung bis zum Erlaß eines Urteils über eine Vollstreckungsgegenklage ein Widerspruch des Schuldners ist. Der Schuldner soll also nicht prüfen müssen, ob sein Widerspruch sich gegen einen vollstreckbaren Anspruch richtet. Er soll nicht den Nachteil tragen, wenn er sich in dieser Rechtsfrage irrt.
Diese Rechtsprüfung muß aber das Versteigerungsgericht, also der zuständige Rechtspfleger, im Verteilungstermin anstellen. Trägt der Schuldner vor, welches Liquidat er in welcher Höhe angreife, an wen die Hilfszuteilung erfolgen soll und daß er an der Hilfszuteilung ein eigenes wirtschaftliches Interesse hat, macht der Schuldner ferner die hierzu erforderlichen und vorgetragenen Tatsachenbehauptungen glaubhaft, dann ist der Widerspruch zulässig.
- Kommt der Rechtspfleger zu dem Ergebnis, der zulässige Widerspruch des Schuldners richte sich gegen einen vollstreckbaren Anspruch i.S.d. § 115 Abs.3 ZVG i.V.m. § 794 ZPO, dann hat er die Zwangsvollstreckung aus diesem Anspruch bis zum Erlaß eines Urteils über eine zu erhebende Vollstreckungsgegenklage oder bis zum Ablauf einer von dem Vollstreckungsgericht zu bestimmenden Frist (sinnvollerweise analog zu § 878 Abs.1 Satz 1 ZPO binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Terminstag beginnt), innerhalb derer der Schuldner die Klageerhebung dem Versteigerungsgericht nachzuweisen hat, einzustellen.
- Kommt der Rechtspfleger zu dem Ergebnis, der zulässige Widerspruch des Schuldners richte sich nicht gegen einen vollstreckbaren Anspruch im Sinne des Gesetzes, dann führt er die Verteilung hinsichtlich des angegriffenen Anspruches oder Anspruchsteiles bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist des § 878 Abs.1 Satz 1 ZPO bzw. bis zu einem Urteil über die Widerspruchsklage nicht aus.
Der Rechtspfleger muß dem widersprechenden Schuldner mitteilen und in das Protokoll aufnehmen, wie er mit dem Widerspruch verfährt. Nur so weiß der Schuldner, ob und bis wann er eine Vollstreckungsgegenklage erheben oder ob er eine Widerspruchsklage einreichen muß. Weist der Rechtspfleger nicht darauf hin, daß es sich um einen vollstreckbaren Anspruch handele, darf der Schuldner von der Statthaftigkeit einer Widerspruchsklage ausgehen . Sollte er sich nach Ansicht des Prozeßgerichts darin geirrt haben, hat das Prozeßgericht die Widerspruchsklage in eine Vollstreckungsabwehrklage umzudeuten.
Da ein Schuldner vor dem Verteilungstermin nicht weiß, ob
- das Versteigerungsgericht das anzugreifende Gläubigerrecht als vollstreckbaren Anspruch ansieht und den Rechtsbehelf nach Absatz 1 oder Absatz 3 der Vorschrift des § 115 ZVG erledigen wird,
- es einen Widerspruch gegen einen vollstreckbaren Anspruch (Absatz 2) als Einstellungsantrag nach den §§ 767, 769, 770 der Zivilprozeßordnung behandelt, wie das Gesetz es vorsieht (oder ihn einfach als unzulässig zurückweist),
- es sonst der Meinung ist, der Widerspruch müsse umgedeutet werden,
- es auf einen als Einstellungsantrag bezeichneten Rechtsbehelf hinweist,
muß der Schuldner oder sein Vertreter den Rechtsbehelf vorsichtshalber als Widerspruch, hilfsweise als Einstellungsantrag, einlegen und hierbei beachten, daß er alle Voraussetzungen für beide Anträge darlegt und glaubhaft macht.
Dies bedarf sehr guter Vorbereitung. Nach solcher Vorbereitung aber lohnt sich es, erforderlichenfalls den Antrag durch die Beschwerdeinstanz zu verfolgen.
(Rechtsanwalt Peter J. Zwingel, München)